Ne Sundaach am Rhing – schwimmen im Rhein


von Stephan Rodtmann

Eine Erzählung eines Ur-Godorfer Rheinschwimmers habe ich ganz einfach transkribiert. Es waren nur minimale editorische Änderungen nötig, so lebendig und emotional sprudelt die Geschichte hervor.  Herr P. schildert das Leben in der unmittelbaren Nachkriegszeit des 2. Weltkrieges als jugendlicher „An-Rheiner“:

Sonntags mittags gegen 1 Uhr traf sich die Dorfjugend am Rhein – zum Teil auch die Familien und die älteren Leute, alle kamen zum Rhein. Zwischen dem Leinpfad und dem Wasser lag eine wunderschöne Wiese, kurz unterhalb des Hafens. Das hat man mittlerweile alles weggebaggert, vom jetzigen Radweg bis zum Wasser. Zur Flußbefestigung hat man dort Basaltbrocken hin gekippt. Danach war die Wiese natürlich kaputt. Wir fuhren dort mit dem Fahrrad hin, oder gingen zu Fuß, gingen am Bahnhof vorbei und da gab es einen Bauern. Der hatte eine Riesenobstgarten und wenn das die passende Zeit war, haben wir den noch besucht und Marschproviant abgeerntet. Einmal haben sie dort meinen jetzigen Schwager erwischt und dann hat man ihn in den leeren Schweinestall gesperrt, acht Stunden.

Wenn dann am Rhein so die richtige Truppe zusammenkam, so mindestens 10 Mann, haben wir immer nach einem Schiff Ausschau gehalten, das den Rhein hoch kam. Damals wurden noch viele Schiffe mit Briketts befahren und mit Dampf betrieben und es qualmte so stark am Schlot heraus, daß wir schon früh sahen, wenn von Sürth aus ein Schleppzug kam. Wenn der Schlepper so auf Höhe von Sürth war, sprangen wir in den Rhein und sind dem entgegen geschwommen, dann auf das erste Schiff. Wir ließen uns dann mit nach stromaufwärts nehmen. So ein langer Schleppzug hatte bis zu 8 Kähne, da sind wir halt immer ins Wasser gesprungen und haben uns auf den Nächsten gezogen und immer so weiter. Kein Godorfer ist am Rhein ertrunken. Wenn Sie richtig schwimmen, zügig schwimmen und dabei flach im Wasser liegen werden sie nicht hinunter gezogen. Wenn sie aber im Wasser „stehen“ und dabei quasseln und nur ein bisschen paddeln, dann kann man natürlich nach unten gezogen werden. Mich hat noch kein Strudel ‚runter gekriegt. Man soll aber nicht gegen einen Strudel arbeiten. Ich ließ mich öfter mal einfach ‚runterziehen, der Rhein ist doch nur ein paar Meter tief und wenn ich unten auf dem Grund angekommen bin habe ich mich einfach abgedrückt und war schnell wieder oben. Das Wasser ist „stichedüster“, da kann man nicht gucken. Leute, die nur im Schwimmbad geschwommen sind, denen fehlt die Sicherheit im offenen Wasser. Wenn ich die in den Rhein schmeiße, die versaufen – aus Angst, Panik, das ist nur eine Kopfsache. Wenn sie richtig schwimmen können, ist es angenehmer im Rhein zu schwimmen als im Schwimmbad. Dann können sie sich aufs Kreuz legen und mal so eine halbe Stunde treiben lassen.

Wir ließen uns oft bis nach Wesseling schleppen, bis zur Rohrbrücke der UK (jetzt Shell). Oft sind wir auch an der Rheinpromenade an Land gegangen. Das Unangenehmste war es hinter der Rheinpromenade im Seichten an Land zu gehen. Dort war es sehr schlammig und der Matsch zwischen den Zehen, der hat mich immer so angeekelt, dass ich bis ins ganz Flache geschwommen bin. Wir sind dann die Promenade zu Fuß ‚runter getippelt und da gab es früher noch die Parkwächter, die haben gleich mit dem Stock gedroht. Dat woren ja alles ahl Rentner, die kamen dann hinter uns her. Wir sind dann auf die Anlegestelle der Köln-Düsseldorfer geflüchtet, mit einem Kopfsprung in den Rhein und auf die andere Seite geschwommen. Auf der anderen Seite haben wir dann die Fleischbeschau gemacht. Da lag alles voll! Das war einfach wie ein Strandbad. Da wo jetzt die Pappeln stehen war früher immer wieder ein Stück Wiese und ein Streifen Sand. Da war immer eine Masse Volk. Wir liefen dort am Rheinufer vorbei, immer am Wasser entlang durch den schönen Sand bis zu einer bestimmten Stelle. Von dort aus mußte man losschwimmen, um genau an der Stelle heraus zu kommen, wo wir ins Wasser gegangen waren. Dann war es aber manchmal sechs, sieben Uhr abends, von mittags an.

Die alte Truppe, wir alten „Germanen“ haben uns Jahre später in Godorf auf dem Schützenfest getroffen. Da kamen wir auf die Frage: „Warum machen wir das nicht alles noch einmal?“ (Ich war damals so circa 35 Jahre alt.) Es gab sofort von allen Seiten Zustimmung. Das Schützenfest ist immer an Pfingsten, da wurde früher immer die Saison am Rhein eröffnet. Da war es aber immer noch sch…kalt im Wasser. Wir haben uns dann verabredet für in 4 Wochen sonntags um 10 Uhr bei schönen Wetter. 15 Mann haben sich da getroffen am Rhein, mittlerweile alles schon alte Knacker. Jeder hat sein Kleingeld in die Badehose gesteckt, dann aus dem Stand über der Rhing jeschwomme und drüben in Langel in die Kneipe, dem Kellner das Geld auf die Theke gelegt, „wenn dat Jeld am Eng is, saachste Bescheid“. Dann habe wir dat versoffen und sin widder nach Haus jeschwommen, ohne Training. Wenn die DLRG von Bonn nach Wesseling schwimmt, würde ich sofort mit schwimmen – dat verlernt mer nie!

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Leben in „dr‘ Hött“- ein Memorandum


Bis zum Jahre 1945 lebte die Familie Lammerich mit 6 Kindern, drei Mädchen  und drei Jungen, in dem Haus „in dr’Hött“ Nordstraße 52. Zur Rheinseite hin stand das Haus auf der rechten Grundstücksgrenze und links ging ein Weg direkt zum Rhein hinunter.

Nordstraße 52
Nordstraße 52

Die Familie hatte es zu dieser Zeit nicht leicht und um die Seinen gut ernähren zu können, fischte der Vater nebenher tagsüber mit dem „Hamen“ und nachts mit Angelschnüren – dies jeden Tag. Die Mutter ging am nächsten Morgen zu Fuß mit einer mit Rheinwasser gefüllten Zinkwanne nach Brühl zum Markt, um die Fische dort zu verkaufen. Gretchen Lammerich, später Beyer, half ihr dabei und bewachte die Fische.

Nach dem Tod des Vaters, der mit 42 Jahren durch einen Unfall auf der Brühler Straße ums Leben kam, hatte die Familie viele Schicksalsschläge durch Krieg und Leid zu überstehen. Bis 1945 lebten in dem Haus am Rhein noch die Mutter Anna Lammerich und die jüngste Tochter Elisabeth „Tante Lieschen“ mit Ihrem ersten Mann Ernst Birkholz.

Am 01.03.1945 zerstörte eine Fliegerbombe das Haus völlig und es wurde auf der linkenGrundstücksgrenze neu aufgebaut. Die Treppe zum Rhein hinunter existierte weiterhin und in der Terassenmauer wurde eine Holztüre eingebaut. Später lebte „Tante Lieschen“ allein in diesem Haus und die Treppe zum Rhein hinunter wurdezugeschüttet. Heute ist der Eingang zur Treppe wieder geöffnet zum Gedenken an die Familie Lammerich, „Tante Lieschen“ und all die Zeit, die vergangen ist – die Zeit, an die kaum noch einer denkt und an die Vergänglichkeit eines Jeden von uns.

Foto Guido Lenssen

Das Wichtigste ist die Erinnerung,  für uns und für unsere Vorfahren, für uns und für unsere Nachkommen. Sie fügt alles zusammen, sie schließt den Kreis und hält Gelebtes lebendig.

Diakon Heerdt beim Segen des Memorandums
Diakon Heerdt spendet den Segen
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Der „Leistungsoskar“ Wesseling – eine Trophäe entsteht


Gedanken zum Entwurf von Torsten Gripp

Maßgeblich für die Arbeit an dem Entwurf für einen Preis waren die Zielsetzung der Bürgerstiftung und eine enge Anbindung an Wesseling

Ich lebe seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Wesseling und wenn ich von meiner Stadt

erzähle, höre ich immer wieder Sätze wie:

„Die liegt zwischen Köln und Bonn.“

„Da gibt es doch die großen Industrieanlagen.“

„Das ist die Stadt der Kunststoffindustrie.“

„Die Rheinuferbahn teilt die Stadt in zwei Teile.“

„Da leben aber viele Ausländer…!“

Diese Sätze offenbaren scheinbare Schwächen. Denkt man dessen ungeachtet eine Weile nach, werden diese „Schwächen“ schnell zu Stärken und man kann uneingeschränkt – JA – zu Wesseling sagen.

Bei der Vorplanung zur Leistungsoskar-Trophäe habe ich mich stark an den Werten für gute Materialien und ihre Verknüpfung orientiert. Das Material soll symbolhaft für Wesseling und starke Persönlichkeiten stehen.

Folgende Materialien finden Verwendung:

  • RUSTED IRON
  • STAHLSEIL (GEWEBTER STAHL)
  • PLASTIK
  • GOLD

Als Symbol für die Industrie, die der Pfeiler Wesselings ist, habe ich einen massiven Block Eisen gewählt. Das ist die Basis des Preises und stellt das Zentrum dar, das alle anderen Teile im Gleichgewicht hält.

Da auch diese Basis einem Wandel unterworfen ist, wählte ich als Symbol dafür das Produkt einer Oxidation – ROST.

In unserer Wertevorstellung ist Rost ein unerwünschtes Produkt und wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft und beseitigt. In der asiatischen Kultur, die geprägt ist von technischer Perfektion und bewundernswerter Vollkommenheit, findet man Rost als Ausdruckmittel der kaiserlichen Kunstschmiede.

Während europäische Schmiede vergleichbarer Epochen ausdrücklich bestrebt waren, kostbare Materialien wirken zu lassen oder aber vorzutäuschen, war für den Japaner jedes verwendbare Material für die künstlerische Gestaltung wertvoll, sei es Eisen, Gold, Kupfer oder Silber. Nicht der Werkstoff an sich sollte zur Geltung gebracht werden. Den japanischen Metallhandwerker interessierte das Material mit all seinen Eigenschaften, die er sich entsprechenend seinen Möglichkeiten dienstbar machte. Die Kostbarkeit eines Gegenstandes war daher nicht a priori im edlen Material begründet sondern in der von Erfahrung geprägten Ausnutzung aller in der metallischen Grundstruktur begründeten Eigenschaften. Diese Grundhaltung, verbunden mit den jahrhundertelangen ungebrochenen Traditionen handwerklicher Meisterschaft und Erfahrung, ermöglichte es dem Schmied in Japan, gleich einem hervorragenden Künstler, die verfügbaren Metalle nach seinem Willen zu gestalten und in Bildwerken lebendig werden zu lassen.

Geht man dem Namen Wesselings nach, kommt man schnell zu dem alten „Wessel de Ling“. Es heißt, dass hier in Wesseling die Leinen der Treidelschiffe gewechselt wurden.

Für mich war bei der Planung wichtig, dass eine Leine nicht aus der Hand sondern von Hand zu Hand gewechselt wurde. Es wurde, um eine bessere Schifffahrt zu ermöglichen, ein Wechsel vorgenommen.

Das Seil ist für mich das vollkommene Symbol Wesselings und der Durchführung anstehender Änderungen zum Wohle eines gemeinsamen Zieles. Wesseling als flexible, moderne Stadt, die den Härten der Zeit mit starker Gelassenheit entgegen sieht.

Für den Preis habe ich ein Stahlseil gewählt, das bei voller Stabilität dennoch flexibel ist und allen Kräften standhält.

Verbunden ist dieses Stahlseil mit einem Block aus Plastik. Plastik ist ein Produkt der chemischen Industrie und diese steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Wesseling. Plastik hat keine jahrhundertelange Tradition sondern existiert erst seit dem 2. Weltkrieg so richtig im Alltag der Menschen. Die Industrie in und um Wesseling hat auf diesem Gebiet große Erfahrung und Weltgeltung. Plastik ist nach den alten Maßstäben fast unzerstörbar im Sinne der Vergänglichkeit und kann in alle nur denkbaren Formen gebracht werden.

Für mich ist es ein Symbol für den Fortschritt und die technischen Möglichkeiten einer Stadt, deren Menschen, Arbeitern, Ingenieuren und Erfindern.

Auf der Basis, dem Eisen, wird eine Plakette aus Gold (vergoldet) angebracht. Der Name des Preisträgers kann darauf von einem Goldschmied passend graviert werden. Verbunden zu einer Plastik sollten die Elemente in einem ausgewogenen Verhältnis zu einander stehen und der Eindruck sollte „wertig“ sein.

Insgesamt gehe ich mit meinem Entwurf einen durchaus eigenwilligen Weg, der in seiner Gesamtheit jedoch für Wesseling steht und aus dem entstanden ist, was Wesseling auszeichnet und stark macht. Genau so, wie die Menschen, die mit diesem Preis ausgezeichnet werden.

Foto Querbach

Die erste Trophäe und er erste Preisträger Paul Nagel
Foto: Querbach

Mai 2006

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1943 in Wesseling


von Anni Lintermann, geb. Heeg

Während des 2. Weltkrieges, im Jahre 1943, haben meine Eltern einem Soldaten eine Schlafstätte geboten. Wieso und warum sie dies taten, weiß ich nicht, denn das Kinderzimmer war wirklich nicht komfortabel:  Nicht beheizbar, keine Waschgelegenheit, von einem eigenen WC ganz zu schweigen!

Ich glaube, es gab als Anerkennung ein kleines Zubrot; mein Vater war zu dem Zeitpunkt gerade erst mit fehlendem linken Unterarm aus dem Lazarett entlassen worden.

Und dieser Soldat war anfangs für meine Mutter ein „Scheusal“. Er kam aus der Nähe von Dinkelsbühl, war Bauer (mit Leib und Seele), eine Lebensmittelknappheit kannte er wohl nicht, denn seine Ehefrau schickte ihm an seine neue Adresse „Fresspakete“: Selbstgebackenes Brot, Schinken und Speck sollen darin gewesen sein. Er saß dann am Küchentisch und vesperte so vor sich hin …

Mein Bruder, damals circa 7 Jahre alt, stand in Sichtweite und ihm lief wohl das Wasser im Munde zusammen. Der Mann hatte einfach keine Ahnung davon, welche Ration einer 5 köpfigen Familie zur Verfügung stand.

Dann geschah ein Wunder. Eines Tages bekam meine Familie ein Paket aus Bayern, nur für uns ganz allein. Darin war all das, was man zum Beispiel für eine leckere Erbsensuppe benötigt! Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Mama auch von einem Buttercrèmekuchen sprach…

Im Sommer 1943 dann bekamen wir von der Bäuerin eine Einladung, die Ferien, mein Bruder war bereits in der Schule, bei ihr in Ruhe und Sicherheit zu verbringen. In dieser Zeit durfte man sich in der Umgebung wirklich noch sicher fühlen; Würzburg, Nürnberg und München waren weit weg. „Unser“ Soldat war noch irgendwo im Einsatz, und in der kleinen Landwirtschaft arbeiteten die Schwiegereltern der Bäuerin, sie selbst und noch zwei polnische Zwangsarbeiter. Da meine Mutter von einem ehemaligen Bauernhof (Godorf) kam, immer schon gut zupacken konnte, „verdiente“ sie quasi unseren Aufenthalt dort. Auch die Großmutter auf dem Hof war von der Leistung dieser „Stadtfrau“ angetan.

Seit diesem Kennenlernen riss die Verbindung nie ab. Als Familie mit geregeltem Urlaub und Schulferien gingen die Reisen meist vom Rhein an die Wörnitz und nicht umgekehrt. Nur zweimal war „unser“ Soldat mit seiner lieben Frau in Wesseling und das in nasskalten Wintermonaten.

Für mich war dieser kleine Bauernhof stets meine zweite Heimat. Heute noch habe ich zur Tochter, geboren 1946, eine freundschaftliche Verbindung.

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Sensationeller Fund im Rheinpark


Foto

Wesseling

Im wunderschönen, neugestalteten Rheinpark machten Archäologen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn einen sensationellen Fund.  Leonard W .:  „Die Geschichte des Rheintals von der Frankenzeit bis heute wird wohl neu geschrieben werden müssen. Alle unserer Vorstellungen zu Hygiene, Waffentechnik und gar Spiritualität müssen überdacht werden.“Doch was treibt einen nüchternen Wissenschaftler zu solch  euphorischen Äußerungen? Den Forschern gelang es einen mittelalterlichen Vorläufer  des Dixi-Klos zu identifizieren.  Ein Zweifel sei nicht möglich wegen des elaborierten Aufbaus der Einheit und antiker Anleihen in der Konstruktion, die auf römische Waffen- und Belagerungstechnik (Poliorketik) zurück gehen.

Zunächst fällt der sogenannte Arcus capitis auf, ein metallener Bügel am höchsten Punkt des Bauwerkes. Er sei gleichzeitig Blitzableiter und Transporthaken gewesen (sogenannte Marra). Die Bauweise mit armierten, gebogenen Mauern spricht für eine fortschrittliche Handwerkskunst. Die schweren Scharniere wurden aus den Helmen getöteter Krieger gefertigt. Die Belüftungsschlitze dienten dazu mit kriegerischen Gesängen im Inneren den Feinden Angst einzuflößen.

Mühsam muss der Transport zu den Einsatzorten gewesen sein. Die Moral der Belagerer sei aber durch den sogenannten Belagerungsabort erheblich gestärkt worden. Hier die Darstellung eines Belagerungsturm (Dixi-Klo verdeckt), wie er noch im mittelalterlichen England in Gebrauch war.

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Datei:Grose-Francis-Pavisors-and-Moveable-Tower-Assaulting-Castle-1812.jpg  Wikipedia

Interessant sei auch die Ausrichtung des Bauwerkes, die gut zu erkennen ist.  Die sogenannte Ostung (Oriens orientum) wurde offensichtlich trotz des runden Grundrisses konsequent umgesetzt.  Auch der Wesseling Dom ist ja bekanntermaßen nach Osten ausgerichtet und soll an die Auferstehung erinnern.

Die Verstärkung des Eingangs mit Metallstreifen wurde in der Frankenzeit hinzugefügt und besteht aus Gußeisen mit CrCo, ein sehr hartes aber dennoch elastisches Material, das seine Beschaffenheit bis heute bewahrt hat.  Das Problem der Wasserversorgung war wie bei den heute üblichen Konstruktionen nicht befriedigend gelöst, ob eine Vorrichtung zum Reinigen der Hände vorhanden war, kann aus dem Fund leider nicht rekonstruiert werden.

Wir Wesselinger können stolz sein, dass endlich die Wurzeln der bahnbrechenden Erfindung des Baustellen-Klos eindeutig unserem Stadtgebiet zugeordnet werden konnte.

Die Verschönerung des Rheinparkes stellt einen passenden Rahmen dar, in dem der gebildete Reisende seinen Entdeckerdrang befriedigen kann. Die Aufnahme ins Weltkulturerbe der UNESCO ist lediglich eine Frage der Zeit. Kommunale-, Landes- und Bundesbehörden haben alle nötigen Anträge bereits gestellt.

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Heimatblätter


von Fritz Graf

In der ehemaligen Gemeindeverwaltung Wesseling gab es vor vielen Jahrzehnten einen Meister der Hofkolonne mit dem Namen Poschen, welcher dafür bekannt war, immer für einen Schabernack bereit zu sein.


Nun trug es sich zu, dass der damalige Baurat Heinen an der Birkenstraße ein schönes Grundstück mit vielen Obstbäumen darauf erstanden hatte. Insbesondere mit einem schönen Apfelbaum, der voller rotbackiger Äpfel hing.

Seine Begeisterung für diese Prachtäpfel hat er dann im Tiefbauamt ganz stolz verbreitet und Mitarbeiter eingeladen, mit ihm am übernächsten Tag, das Grundstück zu besichtigen und sich dort einmal den wunderschönen Apfelbaum anzusehen.

Der Meister Poschen erfuhr von dieser Einladung und hat sich die Mühe gemacht, alle Äpfel von diesem Baum zu pflücken und stattdessen Birnen an Seidenfäden aufzuhängen.

Sodann fand unter der Führung des Hr. Heinen der Besichtigungstermin statt, aber die Besucher haben vergeblich nach dem Apfelbaum Ausschau gehalten, sie sahen ja nur einen Birnenbaum. So hat dann Hr. Heinen fast einen Schlaganfall bekommen, denn er hatte ja von einem Apfelbaum geschwärmt und ihn seinen Kollegen wärmstens ans Herz gelegt, die Pracht zu bewundern. Seine verzweifelte Erklärung, dass dort gestern noch Äpfel hingen, hat ihm allerdings niemand geglaubt.Er selber zweifelte dann mittlerweile auch selbst daran.

Tage später, als er die Birnen pflücken wollte, ist er dann dahintergekommen. Wer ihm diesen Streich gespielt hatte, hat er nie erfahren.

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Wesseling bekam eine Kläranlage und Hr. Poschen hatte auch hier als Meister der Hofkolonne den Bau der Kläranlage zu beaufsichtigen. Nun muss man sich vorstellen, dass das Gebäude langsam wuchs und die Gerüste beim Stahlbau waren, so wie in der damaligen Zeit üblich, mit Gitterrosten belegt.Es standen dann die Schweißer auf den Gitterrosten und schweißten die Stahlkonstruktion zusammen.

Wissen muss man, dass der normale Arbeiter früher hohe Schuhe trug, die am Absatz mit Metallhufeisen beschlagen waren, ähnlich wie bei einem Pferd. Während die Männer oben schweißten, nahm Herr Poschen sich ein Reserveschweißgerät zur Hand und heftete die Hufeisen der Schuhe an den Rosten fest. Als die Männer dann weggehen wollten, wunderten sie sich darüber, dass sie nicht wegkamen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Schuhe auszuziehen und das Gerüst auf Socken hinab zu steigen.

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In jedem Dorf und so auch in der Gemeinde Wesseling gab es, wie man aus vielen Geschichten weiß, den sogenannten „Dorfdeppen“. In dem Bezirk, in dem ich geboren bin, lebten sogar zwei „Originale“. Sie waren geistig behindert, aber ansonsten harmlos und freundlich. Ein wenig bekloppt, wie man hier sagt. Ein Original wohnte auf der Kölner Straße in einem kleinen Fachwerkhaus. Nachdem sie verstorben war, stellte man fest, dass sie das Haus ausgeschachtet hatte, quasi als Keller, und den gesamten von ihr produzierten Müll, einfach dort in das Loch geworfen hatte.

Das andere Original nannte man „Kosche-Pitter“, weil auch er einen, wie mancher sagt, „an der Waffel hatte“. Das war allen Kindern bekannt und entsprechend wurden diese Menschen damals gehänselt.

Die beiden zogen oft gemeinsam mit einem Handwägelchen über die Nordstraße an den Rhein. Sie sammelten dort Treibholz und fuhren, wohin wusste man nicht so recht, mit dem Wägelchen über die Nordstraße wieder weg und verschwanden. Sie unterhielten sich sehr laut und wurden sehr oft ausgelacht.

In dieser Zeit hatten wir noch die englische Besatzung und der Kosche-Pitter schnappte hier und da ein englisches Wort auf. Man hatte ihm auch ein uraltes Funkgerät geschenkt, was nicht mehr funktionierte und damit ging er über die Straße, zeigte auf Leute und tat so, als ob er sehr wichtig durch die Gegend funkte und dann all right oder andere Worte herausbrachte.

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Während der schlechten Kriegs- und Nachkriegszeit war es nicht immer einfach, die Familie mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen.

So hatte fast jede Familie, damaligen Horst-Wessel-Str., wie die Nordstraße zu dieser Zeit hieß, auch einige Gänse. Das klingt jetzt wie Jägerlatein, aber es ist tatsächlich so passiert. Jeden Morgen wenn es hell wurde marschierten bis zu 100 Gänsen die Horst-Wessel-Str. entlang, an den sogenannten Rheinberg, um hier zu grasen.

Niemand brauchte sich um diese Gänse zu kümmern. Faszinierend war auch der Rückweg. Sobald es dunkel wurde marschierten die Gänse wieder in die Richtung aus der sie vorher gekommen waren und bogen dann in ihren jeweiligen Stall ab. Wir hofften, dass es immer die selben waren, die sich in Ställen wieder einfanden.

Wie gesagt, ob das immer die gleichen Gänse waren, vermag ich nicht zu sagen, aber mit einem solchen Orientierungssinn ausgestattet, kann man wohl davon ausgehen, denn zahlenmäßig hat es immer gestimmt.

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In der Nähe der heutigen Degussa, der damaligen Chemischen Fabrik, die auch einen eigenen Anleger hatte, wurde ein Öltanker durch eine Bombe getroffen und versenkt. Einige der Öltanks auf dem Schiff blieben unversehrt. Nun ging es wie ein Lauffeuer durch die Horst-Wessel-Str. – dort sei ein Tanker getroffen worden, der hätte noch Öl, um z.B. Reibekuchen zu backen, das Nationalgericht der Wesselinger. Die Frauen und alten Männer haben sich sofort aufgemacht gelangten über mehrere Bohlen auf das Schiff und haben dort mit Eimern das Öl abgezapft und es nach Hause gebracht.

Einer wusste Rat, wie man das Öl genießbar machen könnte. Man müsse es unter Zufügung von Schwarzbrot erhitzen und damit die Giftstoffe herausfiltern. Gesagt, getan.

Vom Geruch, der danach durch die Horst-Wessel-Str. zog, war unschwer zu erkennen, dass links und rechts der Straße Reibekuchen gebacken wurden. Genauso konnte man aber am Tag darauf feststellen, dass kein Mensch mehr auf der Straße war. Was war passiert? Alle Reibekuchenesser hatten ordentlichen Durchfall bekommen. Aber zumindest hatte es leckere Reibekuchen gegeben.

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Eine ungehaltene Rede


Zur Verleihung des Leistungsoskars für sein Lebenswerk hatte Herr Direktor a.D. Thiemermann diese herrliche Rede vorbereitet aber aus lauter Bescheidenheit leider nicht gehalten, weil es bei der Verleihung ja schon so spät geworden war…

Als ehemaliger Schüler kann ich ihm das aber nicht durgehen lassen.

Der Herausgeber

Sehr geehrter Herr Dr. Rüttgers, sehr geehrter Herr Lierz, lieber Herr Rodtmann! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Vergessen und vergessen werden! –

Wer lange lebt auf Erden,

der hat wohl diese beiden

zu lernen und zu leiden!“

So hat es Theodor Storm auf seine alten Tage in seinem Notizbuch festgehalten. Und er hat ja recht: Man schiebt seinen Einkaufswagen durch einen Supermarkt, sieht plötzlich und unerwartet ein bekanntes Gesicht, denkt: „Der war doch viele Jahre ein überaus aktiver und hilfreicher Mitarbeiter in Deiner Schulpflegschaft, aber wie heißt er denn gleich? Mit H fing der Name an, das ist noch da, aber sonst ist alles weg. Peinlich. Und mit ein paar albernen Phrasen segelt man um die bittere Tatsache herum, dass das Gedächtnis den Namen nicht mehr hergibt.

Und: Vergessen werden: Auch das gehört zum Älterwerden: Wenn man mit der Pensionierung oder nach einer politischen Veränderung das bisherige Aufgabenfeld verlässt, dann wird das Amt, das vielleicht über Jahrzehnte Lebensinhalt und Lebensaufgabe war, recht schnell neu besetzt, ein anderer tritt an die eigene Stelle, jeder ist ersetzbar, und die Erinnerung an Getanes und Geleistetes verblasst allmählich.

Als ich einige Wochen nach meiner Pensionierung noch einmal im Gymnasium war, ohne meinen alten Generalschlüssel natürlich, und an die Tür zum Lehrerzimmer klopfte, erschien eine junge Lehrerin, die ich nicht kannte, und fragte: „Womit kann ich Ihnen helfen?“ Nach 26 Dienstjahren an dieser Schule ein Fremder – eine schmerzhafte Erfahrung.

Aber die Storm´sche Lebensweisheit stimmt ja zum Glück nicht immer.Die Bürgerstiftung Wesseling hat meine Tätigkeit als Gründungsdirektor des Wesselinger Gymnasiums und vielleicht auch meine Tätigkeit als Lehrer und Erzieher zum Anlass genommen, mir am heutigen Abend den Leistungsoskar für – wie es in der Sprache der Stiftung heißt – mein „Lebenswerk“ zu verleihen.

Dieses „Lebenswerk“ liegt ja nun schon lange zurück: 1969 habe ich mit 35 Jahren die Leitung der Schule, die damals nur aus drei Klassen von Zehnjährigen bestand, übernommen, 1995 habe ich nach 26 Jahren Schulleitertätigkeit dieses Amt, das mir zum Lebensinhalt geworden war, als Ruheständler verlassen. Nun bin ich schon 17 Jahre pensioniert und – da ich nicht in Wesseling wohne – ganz natürlich von vielen inzwischen vergessen worden. Aber die Bürgerstiftung Wesseling hat mich nun sozusagen aus dem Dunst der Vergangenheit wieder hervorgeholt und mir mit dem Leistungsoskar für meine Lebensarbeit eine Auszeichnung verliehen, die mich ehrt und mich denen danken lässt, die mich für diese Auszeichnung vorgeschlagen haben.

Aber: Das Lebenswerkeines Bildhauers, eines Malers, eines Schriftstellers oder eines Regisseurs hat sich ja von der Person seines Schöpfers abgelöst, ist Objekt geworden und kann als Skulptur, als Gemälde, als Roman oder als Film betrachtet, analysiert und bewundert werden. Ganz anders bei der Lebensarbeit eines Lehrers und Schulmeisters: Es sind ja immer einzelne Schüler, in deren subjektiverErinnerung ein Lehrer, ein Erzieher, ein Schulleiter fortlebt, in deren Gedächtnis sich ein aufmunterndes, motivierendes, den Lebensweg vielleicht sogar bestimmendes Wort oder eine prägende Grundhaltung für immer eingebrannt haben. Und auch umgekehrt: Eine verächtliche, herabsetzende Bemerkung, eine Ironie, die tief verletzt hat, ein vorschnelles Werturteil, das aus der engen Sicht des eigenen Faches entstand und leichtfertig auf die ganze sich noch entwickelnde Persönlichkeit des Schülers übertragen wird, kann lebenslang nachgetragen und mit Hass auf den Lehrer und auf die Schule insgesamt beantwortet werden.

Dass es am Wesselinger Gymnasium Schüler gegeben hat, deren Erinnerung an meine Person bis heute offenbar positiv nachwirkt, die jetzt noch, da sie lange erwachsen sind, in Berufsverantwortung stehen und vielleicht auch selbst als Mütter und Väter eigene Kinder erziehen, das Gefühl haben, in einer für sie und ihren Lebensweg förderlichen Weise in der Schule und von ihren Lehrern geprägt worden zu sein, erfüllt mich mit großer Freude und mit tiefer Dankbarkeit.

1995, bei der feierlichen Verabschiedung aus meinem Amt, habe ich in meiner Abschiedsrede, auf meine Lehrertätigkeit zurück blickend, gesagt:

In vielen tausend Unterrichtsstunden,

für die ich immer Zeit gefunden,

hab ich humorvoll, unbeschwert

den Jugendlichen gern erklärt

der Sprache Klang, des Glaubens Kraft

und was dem Menschen Heil verschafft.

Was ferner Zeit vor Tag und Jahr

im Leben groß und wichtig war,

was Menschen Sinn und Halt gewesen,

das haben sorgsam wir gelesen

und dabei oft in unsern Stunden

im alten Text uns selbst gefunden,

des eigenen Lebens Glück und Leid

im Spiegel der Vergangenheit.

In Dichtung und in Religion

hab ich der nächsten Generation,

was selber leblang mich beschäftigt,

gelehrt, gedeutet und bekräftigt.

Indem ich lehrte, lernte ich,

gewann ich Einsicht erst für mich;

indem ich gab, hab ich genommen,

viel Freundlichkeit zurückbekommen,

Zuneigung auch und Herzlichkeit.

So schau in großer Dankbarkeit

ich heut zurück auf manches Jahr,

in dem ich glücklich Lehrer war.

Ich danke meinen ehemaligen Schülern, in deren Erinnerung ich lebendig geblieben bin und die mich für die Auszeichnung durch die Bürgerstiftung Wesseling vorgeschlagen haben, und ich danke der Stiftung und ihrem Vorstand, dass sie dieser Anregung gefolgt sind und mich so aus dem Nebel der Storm´schen Vergessenheit herausgeholt und mich heute auf dieses öffentliche Podest gestellt haben.

Ich wünsche meiner „alten Schule“ eine positive, pädagogisch sinnvolle, in die Zukunft weisende Entwicklung und ihren Schülerinnen und Schülern kluge, engagierte und verständnisvolle Lehrer

Ich danke der Wesselinger Bürgerstiftung für die unerwartete Auszeichnung.

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Franz-Josef Thiemermann

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Wenn et hustet…


von Helmut Bunk

Als ich 1949 als junger Lehrer nach Wesseling kam und meinen Schuldienst an der Arndtschule antrat, waren hier die Folgen des Zweiten Weltkrieges noch stark zu spüren. Es herrschte Lehrermangel und die Klassen hatten fast doppelt so viele Schüler, wie es heute die Regel ist. Um den Unterricht dennoch effektiv zu gestalten, wurde besonders auf strenge Disziplin geachtet.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bemühte ich mich in einer Klasse mit Schulneulingen, die Kinder zur Ruhe und zur aufmerksamen Mitarbeit zu bringen, indem ich versprach, ihnen eine Geschichte zu erzählen, wenn sie “mucksmäuschenstill” wären.

Die Erstklässler folgten dieser Aufforderung fast ohne Einschränkung und wagten sich nicht zu rühren. Nur ein Schüler rutschte unruhig auf seiner Bank hin und her. Als ich ihn mahnend ansah, hob er plötzlich die Hand und winkte mich zu sich heran. Ich ging zu ihm hin und wartete gespannt darauf, was er mir sagten wollte. Und dann folgte seine Erklärung: “Du, Onkel Lehrer, wenn et hustet, bin ich et, ich hab nämlich Husten!”

Einige Monate später wurde ich aus stellenplanmäßigen Gründen vorübergehend nach Witterschlick (Landkreis Bonn) an eine dreiklassige Volksschule versetzt. Hier übernahm ich ein drittes Schuljahr und erteilte unter anderem Musikunterricht. Auf dem Stundenplan stand die Einführung der “Tonleiter“. Um den Unterricht möglichst anschaulich zu gestalten, zeichnete ich zunächst einmal eine Leiter an die Tafel. Doch bevor ich noch die ersten Sprossen zeichnen konnte rief ein Schüler von den hinteren Bänken laut in die Klasse:” Herr Lehrer, die kenn ich, die steht bei Nettekovens im Hof!”

Eine ganz andere Unterrichtssituation und eine Disziplinierung von Schülern, wie sie heute kaum vorstellbar ist, hatte ich zuvor als Schulhelfer erlebt, als ich an einer Volksschule im oberbergischen Kreis hospitierte. Dort unterrichtete der Schulleiter, ein bei den Eltern durchaus angesehener älterer Hauptlehrer, Schülerinnen und Schüler des fünften und sechsten Schuljahres, die in einer Klasse zusammengefasst waren. Einer der Jungen, der als besonders renitent bekannt war, störte in einer Deutschstunde fortlaufend den Unterricht. Dem Hauptlehrer riss nach einiger Zeit der Geduldsfaden und er forderte

den Schüler auf, zu ihm nach vorne zu kommen. Als der Junge sich weigerte, ging der Schulleiter auf ihn zu. In diesem Augenblick verkroch sich der Schüler blitzschnell unter seiner Schulbank.

Ich wartete gespannt auf die Reaktion des Schulleiters und traute meinen Augen nicht, als dieser ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche zog und aufklappte. Dann drohte er dem Jungen (was natürlich nicht ernst gemeint war): “Komm` sofort unter der Bank raus, oder ich schnigge Dir die Uhre ab!” Der widerspenstige Schüler war wohl nun doch beeindruckt und reagierte sofort: “Donn dat Metz fott, ich kummen jetzt!”

Dann kam er unter der Bank hervor, setzte sich – ohne den Lehrer aus den Augen zu

lassen – auf seinen Platz, und der Unterricht lief ohne Störung weiter.

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Ein denkwürdiger Tag – Studenten feiern im Roten Salon oder wie Bonn Hauptstadt wurde


von Helmut Bunk

Bevor Wesseling zu meiner zweiten Heimat wurde, studierte ich 1947 bis 1949 an der Pädagogischen Akademie Bonn, um dort meine erste Lehramtsprüfung abzulegen. Zu Beginn dieses Studiums ahnte ich nicht, welche ereignisreichen Jahre mir in der späteren Bundeshauptstadt bevorstanden, und dass ich einmal Zeitzeuge eines sehr bedeutenden historischen Geschehens sein würde.

Ich gehörte zu den wenigen Studenten, die das Privileg besaßen, in der Akademie wohnen zu dürfen. Nach einem persönlichen Vorstellungsgespräch beim Akademiedirektor und mit Hilfe einiger Referenzen war es mir gelungen, eines der kleinen Studentenzimmer im oberen Stockwerk des Hauses zu belegen. Nach dem verheerenden  Krieg und den ersten entbehrungsreichen Nachkriegsjahren glaubten wir Studenten, uns nun der lange ersehnten studentischen Freiheit hingeben zu können.

Doch im Laufe des Studiums überraschte uns die Nachricht, dass der neu gebildete „Parlamentarische Rat“ unsere Akademie als Sitzungsgebäude erwählen wolle. Wir ahnten nichts Gutes. Parlamentarier und Studenten unter einem Dach? Würde das nicht den Vorlesungsbetrieb beeinträchtigen und sich nachteilig auf unser angestrebtes Examen auswirken? Und durften wir dann überhaupt hier wohnen bleiben?

Die Nachricht wurde bald zur Gewissheit. Wenige Tage nach der Konstituierung des Parlamentarischen Rates, die am 1. September 1948 im Museum Koenig erfolgte, nahm dieser in unserem Hause seine Sitzungen auf. Sitzungssaal war  die Aula unserer Akademie, die uns von diesem Zeitpunkt an nur noch eingeschränkt zur Verfügung stand.

Zunächst aber wurden unserer unguten Gefühle von vielerlei  Eindrücken und Erlebnissen überdeckt. Von einem Tag zum anderen waren wir Studenten, die wir in der Akademie wohnten, Zeugen eines hochpolitischen Geschehens geworden:  Der Entstehung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Wir Kommilitonen,  die wir hier im Sitzungsgebäude des Rates zu Hause waren, entdeckten als „Insider“ bald ungeahnte Möglichkeiten. Wir fanden Zugang zum Sitzungssaal und nutzten jede Gelegenheit, Sitzungen des Rates mitzuerleben.

Manche Diskussion der Parlamentarier, manche harte Auseinandersetzung und manches ironische oder fröhliche Wortgefecht in den Sitzungen sind mir bis heute in Erinnerung geblieben. Hin und wieder kam es sogar zu tumultartigen Szenen und fast tätlichen Auseinandersetzungen, etwa, wenn die KPD-Abgeordneten Reimann und Renner sich gegen den Vorwurf wehrten „von Moskau ferngesteuert“ zu werden.

Das alles erlebten wir hautnah und in der häufigen Begegnung mit hochrangigen Politikern wie Dr.Konrad Adenauer, Professor Theodor Heuss, Dr.Kurt Schumacher, Professor Carlo Schmidt, um nur wenige führende Persönlichkeiten zu nennen. Wir begegneten ihnen im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt, vor und nach den Sitzungen, wenn sie ihre Arbeits- oder Aufenthaltsräume aussuchten, z.B. den „Roten Salon“, einen unserer ehemaligen Seminarräume, der entsprechend hergerichtet und mit roten Vorhängen ausgestattet worden war.

In diesem Salon durften wir armen Studenten, wenn die Parlamentarier  zum Wochenende das Haus verlassen hatten und uns der Hausmeister gnädig gestimmt war, schon einmal feiern. Nachdem wir von unseren zusammengelegten Groschen eine Flasche Rotwein erstanden hatten und etwas in Stimmung gekommen waren, hielten wir mit entsprechend verteilten Rollen eine „Ratssitzung“ ab. Da konnte dann jeder seine Imitationskünste beweisen. Doch bevor der Höhepunkt erreicht war, mahnte der Hausverwalter  zum Aufbruch.

Natürlich durfte der Akademiedirektor nichts von unseren „Sitzungen“ erfahren. Leider war das dann doch bald der Fall und jemand berichtete von unserem „schändlichen“  Verhalten. Der Vorsitzende unseres Studentenausschusses hatte danach Mühe, Strafmaßnahmen des Direktors abzuwenden. Zu allem Überfluss hatte auch noch die Presse von dem Geschehen Wind bekommen, und wir lasen zwei Tage später in einer Zeitung die Schlagzeile: „STUDENTEN FEIERTEN IM ROTEN SALON.“

Inzwischen rückte der Zeitpunkt unseres Examens näher. Da traf uns eines Tages die Mitteilung, für den Parlamentarischen Rat würden mehr Räume benötigt, du die hier wohnenden Studenten müssten das Haus räumen. (Es gingen auch schon Gerüchte um, Bonn solle die provisorische Hauptstadt der künftigen Bundesrepublik Deutschland werden). Das bedeutete für uns, währende der Vorbereitungen auf das Examen in Bonn eine Studentenwohnung suchen zu müssen, in der vom Krieg hart getroffenen Stadt ein aussichtsloses Unterfangen.

In unserer Notlage beschlossen wir, um unsere Räume in der  Akademie zu kämpfen. Nach einigen erfolglosen Bemühungen gelang es uns, mit dem ehemaligen Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, Dr.Wandersleb, der von Dr.Adenauer inzwischen zum Leiter des „Büro Bundeshauptstadt“ berufen worden war, Verhandlungen aufzunehmen. Wir erzielten einen Teilerfolg: Die drohende Sofortausweisung wurde ausgesetzt bis zu dem Tag, an dem über die künftige Bundeshauptstadt entschieden werden sollte.

Dieser denkwürdige Tag war der 10. Mai 1949. Zwar erkannten wir seine historische Bedeutung, doch er erschien uns mehr als persönlicher Schicksalstag. Wer wollte es uns betroffenen Studenten verdenken, dass wir uns im Gegensatz zu Dr. Adenauer  wünschten, Bonn würde nicht zur Bundeshauptstadt gewählt.

So fieberten wir dem entscheidenden Termin entgegen, zumal die Belastungen im Hause während der letzten Monate unseres Studiums immer größer wurden. Mehrere Räume, darunter Musikräume und eine Hörsaal, wurden umgebaut. Scharenweise kamen Handwerker ins Haus. Presslufthämmer dröhnten. Wir verstopften uns die Ohren und versuchten zu „pauken“.

Am 10. Mai 1949 wurde nach heftiger Diskussionen und Spekulationen darüber abgestimmt, ob Frankfurt oder Bonn Bundeshauptstadt werden sollte. Zwischen CDU/CSU und SPD gab es in der Frage unüberbrückbare Gegensätze. Wir verfolgten die Abstimmung mit größter Spannung. Die Auszählung der Stimmen stürzte uns in ein Wechselbad der Gefühle. Nachdem es am Morgen noch geheißen hatte, es gäbe eine Stimmenmehrheit für Frankfurt, wechselten bei der Auszählung mehrfach Bonn und Frankfurt ab.

Als schließlich das Ergebnis bekannt gegeben wurde, waren unsere Hoffnungen dahin: 33 Stimmen für Bonn, 29 für Frankfurt. Ich konnte meine Enttäuschung nicht verbergen, verließ schleunigst den Sitzungssaal und lief nach draußen. In diesem Augenblick stoppte auf der Görresstraße vor dem Gebäude unserer Hochschule ein Motorradfahrer, der einen Packen Zeitungsblätter aus einer an der Maschine angebrachten Tasche riss. Ich war wohl der Erste, der für zehn Pfennig ein Blatt erwarb. Es war ein Extrablatt der Kölnischen Rundschau. Auf der Titelseite prangte die Schlagzeile:

„BONN ZUM BUNDESSITZ GEWÄHLT“, darunter ein Bild unserer Akademie.

Als hätte es für die Zeitung nie einen Zweifel daran gegeben, dass wir im künftigen Bundeshaus wohnten – wahrhaft, ein denkwürdiger Tag!

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Ein spätes Wiedersehen nach über 80 Jahren


von Stephan Rodtmann

in den 1980 er Jahren lud Bürgermeister Alfons Müller die aus Wesseling vertriebenen jüdischen Mitbürger ein, ihre alte Heimat wieder zu sehen. Viele folgten dem Ruf und es wurden neue Freundschaften geknüpft und manche Ressentiments vergessen.

Paul S., bei der Vertreibung noch ein Dötzchen im Kinderwagen, hatte es mit seiner Mutter Martha und dem Großvater nach New York verschlagen. Dort wuchs er „amerikanisch“ auf und es war ihm untersagt Deutsch zu lernen. Doch der Großvater hielt sich nicht so recht an die Maxime und brachte seinem Enkel Paul echtes Wesselinger Platt bei und weckte schon früh die Neugier auf das Rheinland und Wesseling.

Als Erwachsener besuchte der nun erfolgreiche und weltgewandte Geschäftsmann dann endlich Wesseling und fand viele Freunde, genoss den Karneval und war nicht zuletzt dank Kölsch-Kenntnissen rasch integriert, besonders der Karneval hatte es ihm angetan (Blut ist eben dicker als Wasser). Seine Mutter – inzwischen hochbetagt – war nicht sonderlich begeistert von diesem „Zug“ nach Wesseling. Jahr um Jahr kam Paul nun nach Wesseling, brachte auch Frau und Stieftochter mit. Die schöne Stieftochter fand sich eines „Wieverfastelovends“ nach stundenlangem Tanzen und Feiern in „Der Kulisse“ erschöpft und glücklich  am Boden sitzend wieder und wiederholte immer wieder: „This is the best day of my life.“

Nach langem Drängen der ganzen Familie gab Martha irgendwann nach und ließ sich über den großen Teich nach Wesseling expedieren – mit vielen, verständlichen Vorbehalten. Die hielten sich aber nicht lange, denn ein umfangreiches Begrüßungsprogramm hielt sie in Atem und weckte langsam doch wieder ihre alte Verbundenheit zum Rhein.

Eines Tages schlug mein Vater vor doch mal den „Haase Christoph“ zu besuchen, der alle und jeden kannte, eben ein echtes Urgestein. Martha ließ sich nicht lange bitten. Sie klingelte selbst an der Tür, nach einer Weile wurde göffnet und vor ihr stand ihre Sitznachbarin aus der Grundschule, die sie seit über 80 Jahren nicht gesehen hatte – beide Frauen erkannten sich sofort und fielen sich in die Arme.

Versöhnung und Frieden ist Generationen übergreifend eben doch möglich. Vielleicht hilft die rheinische Mentalität da schon ein wenig. Wir sollten sie uns erhalten und auch weitergeben.

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